Anlässlich der letzten Sonntag zu Ende
gegangenen Poolinale möchte ich auf einige der dort gesehenen Filme
eingehen und allgemeiner über meine Liebe zur Musik nachdenken. Die
meisten von euch haben vermutlich Bands oder Sänger*innen die ihr
immer wieder hört, zu denen ihr geweint habt, gelacht und
aufgelassen durch die Gegend gesprungen seid, die euch berühren und
durch gute und beschissene Zeiten bringen. Für mich ist das vor
allen anderen David Bowie und so habe ich mich natürlich sehr
gefreut, dass die Poolinale es mir ermöglicht hat „Ziggy Stardust
and the Spiders from Mars“ auf der großen Leinwand des
Gartenbaukinos zu sehen. Aber auch die anderen beiden Filme, die ich gesehen habe: „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin (1979-1989)“ und „Don't Think I've Forgotten: Cambodia's Lost Rock And Roll“ berührten mich jeweils auf ihre eigene Art.
Gartenbaukinos zu sehen. Aber auch die anderen beiden Filme, die ich gesehen habe: „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin (1979-1989)“ und „Don't Think I've Forgotten: Cambodia's Lost Rock And Roll“ berührten mich jeweils auf ihre eigene Art.
Die Magie der Musik
Musik nimmt im Film fast immer eine
wichtige Rolle ein. Sie erzeugt Emotionen im Hintergrund oder auch –
wie im Musikfilm – in der Hauptrolle. Ein Horrorfilm ohne Ton macht
keine Angst sondern ist einfach seltsam oder lustig. Ein stilles in
die Arme fallen nach ungeschickter Liebesanbahnung würde uns wohl
kaum in Tränen ausbrechen und Star Wars ohne Musik wäre nicht
episch, sondern ein Film über Menschen mit Leuchtstoffröhren. Musik
kann also etwas, das Bilder alleine nicht können, sie nimmt mit –
sie bewegt.
Bewegungslosigkeit im Kino
Umso erstaunter war ich über all die
bewegungslosen Körper, die um mich herum im Kino saßen. Denn in mir
hat die Musik in allen Filmen einen Bewegungsreflex ausgelöst, der
zumindest meinen Fuß wippen und den Kopf wackeln ließ. Vielleicht
hat hier die Kinokonvention den Impuls erdrückt – Schade, denn ich
hätte mich wohler gefühlt zwischen seltsam herumwackelnden
Menschen. Vielleicht wurde auch dem Impuls widerstanden, sich
einzulassen und gehenzulassen. Etwas, das ich, zumindest in dieser
gefahrlosen Weise sehr gerne mache.
Politische Wirkung
Vor allem „Don't Think I've
Forgotten: Cambodia's Lost Rock And Roll“ hat auf krasse Weise
gezeigt welche politische Kraft in Musik stecken kann. Der Film
erzählt die Geschichte der modernen Musik in Kambodscha und deren
brutale Unterbrechung durch die Roten Khmer. Nicht nur die Städte
wurden aufgelöst, sondern auch Musik verboten, Musiker*innen
verfolgt und ermordet. Die Musik wurde in der bestehenden Form
verboten und durch Propagandamusik ersetzt. Dadurch, dass wir die
Musiker*innen zunächst in Musikvideos und Auftritten sehen und so
eine Beziehung zu ihnen aufbauen, ist ihr Verschwinden und ihre
Ermordungen (auch wenn sie nicht explizit zu sehen ist) irgendwie
noch krasser, falls das überhaupt geht. Der Bruch der Fröhlichkeit
ist brutal und trifft. Die Gefahr, die die Roten Khmer in selbst ganz
harmlos scheinender Musik sahen und ihr mörderisches Vorgehen
dagegen, hat mit den Pariser Anschlägen eine aktuelle Wiederholung
gefunden.
Unpolitischer, politischer Hedonismus
Politisch oder unpolitisch war die
Frage bei „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin (1979-1989)“.
Wir werden hier durch wunderbare Zeitdokumente der Berliner
Untergrundszene dieser Zeit geführt, sehen bekannte und unbekannte
Musiker*innen, die neues ausprobieren und sich der euphorischen
Stimmung hingeben. Mark Reeder führt uns, seinen Uniformfetisch
auslebend, durch Konzerte, improvisierte Musikstudios, abgefuckte
Kneipen und majestätische Kaffeehäuser, in denen wir den jungen
Ärzten, dem echten Heino, Malaria!, Nick Cave, Christiane F. und
vielen weiteren begegnen. Mit den Toten Hosen fahren wir nach
Osterberlin und Tilda Swinton fährt mit dem Fahrrad durchs Bild. Das
Neue der Musik ist hier sicher politisch. Gleichzeitig interessieren
sich die meisten wenig für die andere Seite der Mauer – zu sehen,
was dort ist, wäre viel zu anstrengend. Die Begrenztheit und die
Konzentration an Künsterler*innen, die sie verursacht, wird
genossen. Schön an diesem Film fand ich, dass der Punk, aus der
Musik in die Filmsprachen übergesprungen ist – skurrile Splatter
Szenen, trashiges Material und gestellte Szenen wurden zu einer
stimmigen Mischung. Die Zuschauerin wird eingeladen, für ein paar
Stunden auch im jetzt zu leben, mit zu gehen, nicht darüber
nachzudenken, ob sinnvoll ist, was da gemacht wird, ob es morgen die
Wohnung sichert, wie stark morgen der Kater sein wird – ein tiefer
Wunsch in mir, eine Begeisterung, der ich aber eigentlich nicht
nachgebe, abseits des phantastischen Mitgehens.
Queer und schräg und so schön
Dass ich mich auf „Ziggy Stardust and
the Spiders from Mars“ besonders gefreut hatte, sagte ich bereits
und ich war sicher auch voreingenommen. Aber ich hab es wieder
genossen, diesen wunderbaren Künstler zu sehen, in Kostümen, die
mit Geschlechternormen spielen und diese zumindest für einige weit
geöffnet haben. Und er ist so unglaublich schön darin! Ich konnte
nicht still sitzen bei alle diesen Liedern, die ich tausendmal gehört
habe und es hat mich traurig gemacht, dass es anderen nicht so ging,
denn es ist so ein schönes Gefühl. Auch hier ermöglicht das Kino
mit der Musik wieder das Entfliehen, die Aussicht auf eine andere,
bessere Welt und ich muss dafür nicht einmal etwas tun – andere
probieren es für mich aus, nähern sich statt mir an.
Abgefilmte Musik
Natürlich waren es „nur“
abgefilmte Konzerte, Mitschnitte und Interviews und damit etwas ganz
anderes, als ein Konzert selbsteine Erinnerung daran, das ist jener
Teil, der es auch etwas traurig macht, denn darin steckt die
Vergänglichkeit dieser Momente. Gerade die Distanziertheit und
Vermitteltheit machen es uns aber auch leichter mitzugehen und uns
einzulassen, weil es nichts ausmacht. Es macht Spaß, ist vielleicht
auch Erholung, aber ohne etwas zu verändern.